Uh, pretty intense!!
Was geht auf Social Media? #66 – heute unter anderem mit Kriege-Memes, Merz' schwieriger Wahl, Googles und Pinterests KI, noch mehr Signal-Gate, dem Ende von Skype und fehlender Forschungsethik.
Der Meme-Krieg
Ich liebe Memes als die Kultur-Technik, die Social Media inhärent ist. Aber seit dieser Woche muss man sich fragen, ob Memes über den Hai gesprungen sind. Die Atom-Mächten Indien und Pakistan eskalieren sich gerade in einen Krieg hinein und was machen verantwortliche Staats-Führer:innen in so einer Situation? Klar: auf X "coole" Posts absetzen. WTF? Die indische Armee so:
Woraufhin der pakistanische Verteidigungs-Minister Khawaja Asif mit diesem Video antwortete:
(sorry für den X-Link)
Um Garbage Day zu zitieren:
which is, uh, pretty intense!!
Wir werden uns einerseits nicht wehren können, dass sowas immer häufiger passiert (looking at you D.O.G.E), zugleich versteht es auch die Macht des Memes nicht. Denn Memes entfalten ihre Macht am besten, wenn sie das Handeln der Welt kommentieren. Wenn die Akteure der Weltpolitik hingegen selbst Memes posten oder Staatsorgane nach Memes benennen, hat das einen ganz unangenehmen Mario-Bart-Vibe.
(Ich weiß, dass das Pocher als Barth ist)
Merz ist Kanzler, aber es war eine schwere Geburt
"So reagierte das Netz" auf den misslungenen ersten Wahlgang.
0-Click-Searches töten das Netz
Bei der Debatte ums Leistungsschutzrecht (also dass die Verlage Geld von Google wollten, wenn sie in den Treffern oder News auftauchten) wurde oft die Metapher von Google als Taxi bemüht (böse Zungen sagen, dass Googles Lobbyisten sie selbst gestreut haben). Google bringt entsprechend Leute auf deine Webseite – ist das Taxi – und es ist absurd, vom Taxi zu verlangen, dass es dir Geld für diesen Service zahlt. Aber was, wenn das Taxi zwar deine Kundschaft einsackt aber nicht mehr abliefert, sondern selbst behält?
Laut einer Studie von Bain & Company sind bei B2B-Searches die Klicks auf die Webseiten um 30% eingebrochen, denn Google fasst die Ergebnisse jetzt in der KI-Übersicht zusammen, was den meisten Leuten genügt.
https://www.bain.com/insights/losing-control-how-zero-click-search-affects-b2b-marketers-snap-chart/
Und laut Apple sind im vergangenen Monat die Google-Suchanfragen in Safari zum ersten Mal überhaupt zurückgegangen.
“That has never happened in 22 years”
https://www.platformer.news/safari-search-decline-apple-google
Ich schiebe hier ehrlich gesagt keine Panik, denn große Umwälzungen hat es immer schon gegeben in der Art und Weise wie wir das Netz benutzen: Zum Schlechteren (als Blogs Social Media wichen) und zum Besseren (der Aufstieg von Podcasts, Newsletter, die Social Media ersetzen). Aber es ist schon hart absurd, dass Google offenbar noch nie das Sprichwort gehört hat, dass man die Hand nicht beißen soll, die einen füttert.
Die nächsten zwei Kapitel in der Signal-Saga
Zunächst:
https://www.reddit.com/r/nottheonion/s/c2F2kAYgoT
Dann:
"Also wenn die sich alle aufregen, dass wir Signal nutzen, dann nehmen wir doch einfach einen Klon der App!" So oder so ähnlich ging wohl der Gedankengang der Trump-Regieung. Und ihr App-Klon wurde prompt gehackt! Glückwunsch! Um nicht zu sagen: "uh, pretty intense!!"
https://www.404media.co/the-signal-clone-the-trump-admin-uses-was-hacked/
Duolingo hat Lack gesoffen
Hier was geschehen ist:
Tiktok failed to load.Enable 3rd party cookies or use another browser
Die EU sammelt weiter Geld ein
Diesmal traf es TikTok. 530 Millionen wurden fällig, weril europäische Nutzer:innen-Daten nach China übermittelt wurden. Jetzt hat TikTok 6 Monate Zeit, das abzustellen, sonst kommt die nächste Rechnung von der EU.
Troll-Level: Harvard
So gut muss man erstmal trollen können.
Tiktok failed to load.Enable 3rd party cookies or use another browser
KI … Pinterest … gut?
Zuerst sah ich diese Nachricht beim Social Media Watchblog:
Pinterest führt neue Tools ein, die KI-bearbeitete Bilder automatisch markieren und es Nutzerïnnen ermöglichen, entsprechende Inhalte gezielt auszublenden.
https://www.socialmediawatchblog.de/angriffe-von-rechtsaussen-warum-die-wikipedia-in-gefahr-ist/
Und dachte mir: Ah, da kommt also endlich die Gegenbewegung! Denn die wird sicher einsetzen. Nicht alle Menschen wollen rund um die Uhr KI-Slop in den Hals gestopft bekommen, insbesondere auf Social Media, dessen Versprechen mal war, Menschen zu verbinden. Und sich hier klar gegen KI zu positionieren, ist eine Marktlücke. Aber das ist nicht der Hintergrund für diese Meldung, wie ich ein paar Tage später bei Garbage Day lesen konnte:
You no doubt have seen AI-generated content and even AI-generated “memes” on platforms like X and YouTube by now, but the closest current analog to what Meta has built is actually Pinterest, which Garbage Day researcher Adam and I recently discovered is completely awash in AI content. Last month, for Sherwood News, we dug through Pinterest’s own metrics of top performing key words and found every category was absolutely rotten with AI-generated content, with posts oftentimes linking out to websites full of even more AI-generated content. But what Meta has built drops any pretense of a human social network.
https://www.garbageday.email/p/meta-has-a-cool-new-slop-feed
Es ist also nur Notwehr und keine Strategie. Das erste echte Anti-KI-Netzwerk wird dennoch bald kommen. Da bin ich sicher.
Der Papst ist gewählt
Wir können also aufhören so zu tun, als wäre das "uh, pretty intense!!". Aber lustig war immerhin der Account PopeCrave, ein Klon des Pop-Tratsch-Accounts PopCrave, der diesen Konklave so gehypet hat, dass er am Ende sogar als Pressevertreter akkreditiert wurde.
Was machen, wenn Facebook der Lokal-Journalismus ist?
Die NY-Times erzählt die Geschichte von Oakdale, einem 20.000 Einwohner:innen Städtchen in Kalifornien, in dem es keinen Lokal-Journalismus mehr gibt und dessen Menschen sich nur über Facebook informieren können, was so los ist. Während Corona führte das dazu, dass plötzlich Paramilitärs durch die Stadt patrouillierten, denn auf FB hatte sich das Gerücht verbreitet, Black Lives Matter wolle in dem Kaff demonstrieren.
Und von da an wurde die Nachrichten-Lage nur noch schlechter. Hier zum ganzen Artikel ohne Paywall:
Bye Bye Skype
Am 5. May wurde Skype nach 22 Jahren dichtgemacht. Besonders als Podcaster verbindet mich mit Skype eine lange Hassliebe. Einerseits war Skype die erste App, die das Scifi-Versprechen der Video-Telefonie erstmals erfolgreich und breitenwirksam umsetzte. Menschen sehen zu können, die sich auf anderen Kontinenten befanden und mit ihnen "zum Ortstarif" über Web telefonieren zu können, war Anfang der 00er-Jahre "uh, pretty intense!!"
Dann setzte sich Skype in den frühen 10er-Jahren als Standard durch, wenn es darum ging, Podcasts mit Gesprächspartner*innen übers Web aufzunehmen. Aber das war auch immer schon unglaublich kompliziert, da es nicht so leicht möglich war, den Ton aus Skype in eine Aufnahme-Software zu routen. Entsprechend wurde Skype da von studiolink als Standard in der deutschen Podcast-Szene abgelöst. Und als dann die Pandemie kamen, waren Zoom, Microsofts Business-Lösung Teams und Google Meet einfach innovativer als Skype und haben der App so den Todesstoß versetzt.
Mach's gut, Skype! War nicht immer einfach mit dir, aber irgendwie doch ganz schön. :)
https://www.dailydot.com/news/microsoft-skype-shutdown-after-22-years/
Forschungs-Ethik? Pfff…
Diese Story ist …"uh, pretty intense!!" Forscher*innen der Uni Zürich haben systematisch das Subreddit "Change my view" manipuliert. "Change my view" ist ein Debattier-Club, in dem Menschen steile Thesen posten und andere dann dagegen anargumentieren. Die Argumente werden dann bewertet, wie gut sie sind. Stellt sich raus, dass die Uni Zürich systematisch KI-Bots auf das Subreddit losließ, ohne jemanden darüber zu informieren. Die Wissenschaftler:innen wollten herausfinden, wie sich KI-generierte Kommentare einsetzen lassen, um Meinungen zu beeinflussen. Die Bots hatten anscheinend keine Schamgrenzen und logen schon mal, dass sie die Opfer von Vergewaltigungen sind.
The Atlantic schreibt dazu: "The Worst Internet-Research Ethics Violation I Have Ever Seen". Und 404-Media kritisiert, dass bis heute die vermeintlichen Wissenschaftler*innen anonym sind, dass ein Forschungsteam nicht offenlegt, wer hinter einem Experiment steht, ginge gar nicht.