Was geht auf Social Media? #42
Heute mit All Eyes On Rafah, Googles KI-Fail, Elon Musks Politik, dem Kind, das das Internet gewann, Fans und TikTok, Werbung auf Insta, der Polizei, der Aktivität des Fediverse und dem Pride Month.
All Eyes On Rafah
Letzte Woche ging ein Share-Pic auf Insta viral. Das KI-generierte Bild mit dem Schriftzug “All Eyes On Rafah” wurde zwischen 40 und 50 Millionen Mal geteilt und dürfte damit nicht nur das meistgeteilte KI-generierte Bild jemals sein, sondern auch das Bild aus dem Israel-Gaza-Krieg sein, das am meisten geteilt wurde. Außer, dass es eben nicht aus dem Krieg stammt, sondern von eine LLM erzeugt wurde.
Das ist aus mehreren Gründen interessant. Zum einen hat es Debatten über Klicktivismus neu aufleben lassen, denn durch den von Instagram bereitgestellten Button "Du bist dran" wurde das Teilen unglaublich niederschwellig. Buchstäblich zwei Klicks waren nötig und schon konnte man sich wohl fühlen, "dass man was getan hat".
Das ordnet wieder einmal Garbage Day extrem gut ein:
"The criticisms currently being levied against “All Eyes On Rafah” are not new, nor are they AI-specific. Every few years, someone, somewhere, comes up with a new way to politically engage other users with a new platform or a new technology and everyone who was doing things the old way acts like the sky is falling. And it doesn’t matter what those politics are. Guy Fawkes masks, Occupy Tumblrs, Twitter hashtags, sexuality-specific pride flags, Facebook profile picture changes, Pepe the Frog memes, bystander-recorded videos of police violence, “Black Lives Matter,” “defund the police,” anti-trans TikTok curation — “Real” activists or the existing political establishment shriek that it’s dangerous, or unethical, or missing context, or nuance. And, sure, it usually is. But the fact that there are people on TikTok, of all places, complaining that “All Eyes On Rafah” is a performative and shallow trend is, if anything, very funny proof at how quickly we tend to forget about all of this."
https://www.garbageday.email/p/power-instagram-story
Zum anderen stellt sich natürlich die Frage: Warum ausgerechnet dieses Bild?
Warum kein echtes Bild? Warum kein Bild, das das Leid der Menschen in Gaza wirklich zeigt? Warum stattdessen ein Bild, das steriler nicht sein könnte: Eine Totale, die keine Details zeigt, keine Menschen, keine Gesichter. Angesiedelt in einem Nicht-Ort mit schneebedeckten Bergen. Das Szenario soll wahrscheinlich ein Flüchtlingslager sein, aber eines, wie es auf der Welt nicht existiert: klinisch rein mit symmetrischen Wegen und Zelten, die dann eben den Schriftzug anordnen. Zu guter Letzt auch noch alles in der typischen Midjourney-Äshtetik, die es auf den ersten Blick als Fake erkennbar machen.
Dass das Bild so erfolgreich werden konnte hatte mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu tun, dass es auf einem für den Zeitpunkt ideal-viralen Schnittpunkt lag. Dadurch, dass es kein echtes Kriegsbild war, schlüpfte es durch die Filter von Meta. Dadurch dass es kein echtes Leid zeigte, löste es nicht die Verdrängungsmechanismen und die Hilflosigkeit aus, die bei uns allen einsetzen, wenn wir auf diesen Krieg blicken. Dadurch, dass der Insta-eigene Teilen-Mechanismus direkt eingebunden war, konnte es sich sehr niederschwellig verbreiten. Und dadurch dass der Schriftzug "All Eyes On Rafah" sehr generisch war, ohne konkretere Forderungen zu stellen, als hinzusehen, konnten sich sehr viele Menschen mit der Botschaft identifizieren.
Natürlich möchte ich nicht die Ironie unerwähnt lassen, dass wir uns alle gegenseitig auffordern, auf Rafah zu blicken mit etwas, das gerade wegguckt, da es künstlich erstellt wurde.
Mehr dazu:
Garbage Day: https://www.garbageday.email/p/power-instagram-story
Krasse Links: https://mspr0.de/krasse-links-no-18/
Piratensender Powerplay:
Googles KI-Desaster
Google hat in den USA die angekündigte KI-Suche ausgerollt (bei mir ist sie zumindest noch nicht angekommen, vielleicht bei euch?). Und sie ist schlecht. Sehr, sehr schlecht.
Menschen erhielten den Vorschlag ungiftigen Klebstoff auf die Pizza zu tun, damit der Käse klebriger wird. Die KI empfahl, Benzin in Spaghetti zu geben. Sie sagte, dass nur 17 amerikanische Präsidenten weiß waren und dass einer Muslim war. Außerdem wurde das Essen von Steinen empfohlen.
https://www.businessinsider.com/google-ai-glue-pizza-i-tried-it-2024-5
Das Problem dahinter: Die KI hat keine Idee von Wahrheit und da sie auch mit Artikeln von "The Onion" (dem Postillon-Äquivalent der USA) und mit Reddit-Kommentaren (in denen die hohe Kunst des Shit-Postings gepflegt wird) gefüttert wurde, nimmt sie diese Antworten unter Umständen für bare Münze.
Googles Antwort auf das Desaster war quasi: You're using it wrong!
Google spokesperson Meghann Farnsworth said the mistakes came from “generally very uncommon queries, and aren’t representative of most people’s experiences.” The company has taken action against violations of its policies, she said, and are using these “isolated examples” to continue to refine the product.
Eine ganz andere aber nicht minder problematische Dimension des Desasters hat Today in Tabs formuliert. Nämlich, dass die se KI-Übersichten letztlich nur leicht umformulierte Texte von Webseiten sind. Allerdings ohne den Credit diesen Webseiten zu geben. Wenn das nicht noch den einen oder anderen Urheberrechts-Prozess gibt.
https://www.todayintabs.com/p/fracking-web?ref=platformer.news
Elon Musk nutzt X als politische Waffe
Elon Musk hat den Twitter-Kauf nicht nur genutzt, um der Welt zu offenbaren, dass er offensichtlich zu oft Klebstoff in seinen Pizza-Käse gemixt hat, sondern auch, um X als politische Waffe einzusetzen. Musk macht keinen Hehl daraus, dass er den Republikanern nahe steht. Es gibt sogar Gerüchte, er könnte unter einem Präsidenten Trump einen Berater-Job bekommen.
Soweit so zum Zähne knirschen. Aber Musk hat das Netzwerk auch so maßgeschneidert, dass er und sein Ego den größten Account der Welt haben: 186 Millionen Follower sind verzeichnet und täglich kommen ca 100.000 dazu. Diese Reichweite nutzt er, um Stimmung gegen Präsident Biden zu machen. Im Schnitt zweimal pro Woche kritisiert er Biden.
https://www.nytimes.com/2024/05/24/technology/elon-musk-x-biden.html
Das Kind, das rumalbert
Dieser Junge, der seinem Vater bei einer Rede die Show stahl, hat diese Woche das Internet gewonnen:
So lustig das ist, so klar möchte ich benennen, dass der Daddy von dem kleinen Bart Simpson hier in seiner Rede – die wir nebenbei in uns einsickern lassen – krass lügt. Ich habe den Prozess jeden Tag verfolgt. Und soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann, entsprach er jedem rechtsstaatlichem Standard. Die Anklage hatte einfach überwältigend gute Beweise, die darlegten, dass Trump schuldig ist. Weswegen das auch der Dance-Track auf meinem TikTok am letzten Wochenende war:
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Warum TikToker*innen keine Fans haben
Auf der re:publica hörte ich den Talk von Oğuz Yılmaz über Longform-Content. In diesem stellte er eine gute Frage: Kennst du die Namen deiner Lieblings-TikToker*innen? Viele (mich eingeschlossen) sagen hier "nein". Aber kennst du die Namen deiner Lieblings-YouTuber*innen, Twitch-Streamer*innen oder Podcaster*innen? Höchstwahrscheinlich, denn hier existiert ein viel höherer Bekanntheitsgrad, da in der gemeinsam verbrachten Zeit eine parasoziale Beziehung entsteht. Ich lerne diese Menschen kennen, während ich stundenlang zusehe oder -höre.
Dass TikTokker*innen so anonym bleiben, hat der namentlich sehr bekannte TikToker Hank Green auch bemerkt:
Neben der Tatsache, dass das Follow oder Abo auf TikTok an Gewicht verloren hat und wir durch den Algo zappen, kommt noch hinzu, wie Oğuz Yılmaz gut analysierte, dass TikTok auch alles dafür tut, um die Creator*innen zu verstecken. Der Name ist auf dem Video eher unscheinbar platziert.
Insta testet Werbung, die man nicht überspringen kann
Du kannst nicht mehr weiterscrollen, sondern musst dir die Werbung erst ansehen. Ich denke Garbage Day spricht für uns alle:
Look, I’m not going to mince words here. There is not a single piece of content on any Meta platform that is worth sitting through an unskippable ad to watch the entirety of.
https://www.garbageday.email/p/ceo-passive-content-obsession
Die Polizei geht gegen Hass im Netz vor
In einer gesammelten Aktion ging die Polizei diese Woche gegen Hass-Poster*innen vor.
Bundesweit wurden mehr als 70 Wohnungen durchsucht und zahlreiche Beschuldigte vernommen, wie das teilte das Bundeskriminalamt mit. Insgesamt habe es mehr als 130 polizeiliche Maßnahmen in allen Bundesländern gegeben, sagte ein Sprecher der Behörde.
Auch ich habe schon im Rahmen meiner Arbeit Hass-Postings bei “Hessen gegen Hetze” gemeldet. Ich persönlich habe schon mit der Oberstaatsanwältin deswegen telefoniert. Entsprechend geht mir das Herz auf, dass hier endlich was geschieht und Hetzer nicht länger glauben dürfen, sie könnten ungestraft Hass verbreiten.
Die Aktivität des Fediverse
Nettes kleines Tool, das ich ebenfalls über Garbage Day kennenlernte, ist die FediDB. Es zeigt, dass das Fediverse, zu dem auch die freie Twitter-Alternative Mastodon gehört, seit Oktober 2022 massiv gewachsen ist. Was war da bloß? Let that sink in … Aber wir sehen auch, dass die monatlich aktiven Nutzer*innen seit Juli 2023 rückläufig sind.
Happy Pride Month
Zum Schluss noch ein bisschen Hoffnung. Der Juni ist der Pride Month, der auf die Rechte und Anliegen von queeren Menschen aufmerksam machen möchte. Leider versuchen Rechtsextreme unter dem Schlagwort "Stolzmonat" den Pride Month zu sabotieren und diskreditieren.
Doch da haben sie die Rechnung ohne den queeren Influencer Fabian Grischkat gemacht. Der hat sich "Stolzmonat" jetzt kurzerhand als Wortmarke sichern lassen. Ich freue mich schon, wenn es bei Nazis Abmahnungen ins Haus rasseln wegen Markenverletzungen. Danke, Fabian! Nicht alle Helden tragen Capes.