Was geht auf Social Media? #40
Heute mit OpenAIs Her-Drama, BlueSkys PNs, X, das jetzt X heißt und sowas wie KI hat, der Suche nach Apples Mojo, einer extrem langen und deprimierenden Facebook-Story und mit Major Data Breach.
wir fangen heute kurz an mir der Meldung, die ihr eh überall schon gelesen habt:
Her can't live in your phone any more
Gegenüber dem Radio-Sender NPR erklärte Scarlett Johansson, dass OpenAI fast ein Jahr lang mit ihr in Verhandlungen stand, um ChatGPT ihre Stimme zu leihen. Open AI CEO Sam Altman sagte Johansson, "Er habe das Gefühl, dass meine Stimme die Menschen beruhigen würde.".
Johansson lehnte am Ende eine Zusammenarbeit ab. Doch als OpenAI im September die Stimmen für ChatGPT vorstellte, fiel den Nutzern die verblüffende Ähnlichkeit zwischen der Stimme, die sie Sky nannte, und der von Johansson auf.
Sam Altman gibt auch an, dass Her, in dem Johansson einer KI-Assistentin die Stimme leiht, in die sich Joaquin Phoenix verliebt, sein Lieblingsfilm ist. Letzte Woche, nachdem OpenAI eine aktualisierte Version von Sky vorstellte, die auf viele Leute verstörend flirty wirkte, kokettierte Altman mit diesem Post auf X:
https://x.com/sama/status/1790075827666796666
Altman hat offensichtlich nicht so viel Nachrichten in den letzten Jahren konsumiert, sonst wüsste er, dass Scarlett Johansson nicht vor juristischen Auseinandersetzungen zurückschreckt. Sie ließ ihre Anwält*innen erst einmal Briefe an OpenAI schicken und *schwup* am Sonntag wurde die Stimme "Sky" offline genommen.
Das ist ein auf merkwürdige Weise unüberlegtes Vorgehen, wenn man bedenkt, wie besonnen sich Altman in Interviews immer gibt. Als der große Intellektuelle, der uns den Segen der KI bringt, aber vorgibt, uns vor ihren Gefahren zu schützen.
Via Plattformer
https://www.platformer.news/open-ai-scarlett-johansson-her-voice-sam-altman/
In der Zwischenzeit hat OpenAI bEwiEsN(!!!), dass die Stimme gar nicht von Johansson, sondern von einer anderen Schauspielern stammen würde. Wahrscheinlich vom Schmarlett Schmohansson …
BlueSky hat jetzt PNs
Die Twitter-Alternative BlueSky informierte am Mittwoch darüber, dass sie jetzt ein Privatnachrichten-Feature hat. Man kann einstellen, wer einem PNs schreiben darf. Aktuell sind PNs nicht verschlüsselt. BlueSky kündigt aber an, das nachreichen zu wollen. Allerdings schreiben sie auch, dass die Moderation "in seltenen Fällen" die PNs anderer User lesen werde, um Abuse zu untersuchen.
https://bsky.social/about/blog/05-22-2024-direct-messages
X heißt jetzt wirklich X
Am 24.07.2023 gab Elon Musk Twitter den neuen Namen X. Ich möchte nicht sagen, dass diese Aktion überstürzt und dilettantisch war, aber abgesehen davon, dass das offizielle Logo von X Unicode und daher markenrechtlich nicht schützbar ist. Abgesehen davon, dass Musk das Logo vom Dach des Büros in San Franzisko holen musste, da er keine Genehmigung hatte, es aufzustellen (und Nachbarn sich beschwerten, dass es obszön grell war). Abgesehen davon, lief eigentlich alles rund mit dem Relaunch vor 10 Monaten. Außer halt, dass überall auf der Webseite noch "Twitter" stand und die Domain twitter.com blieb. Letzte Woche hat es X nun geschafft, die Domain auf X.com umzustellen. Twitter und der süße kleine Vogel sind jetzt also endgültig Geschichte. Oder …?
Hat Apple sein Mojo verloren?
Vor zwei Wochen hat Apple diesen Werbespot veröffentlicht und einen so enormen Shitstorm aus der Kreativbranche erfahren, dass sie sich entschuldigen mussten:
Interessant ist, worauf "Wir Müssen Reden" zurecht hingewiesen hat, dass es sich um die gleiche Disruptions-Erzählung handelt, die Apple seit 15 Jahren vor sich herträgt. Dass die Firma aber ganz offensichtlich die Zeichen der Zeit nicht erkannt hat. In einer Zeit, in der Kreative davor zittern, durch KI ersetzt zu werden, kommt ein Spot, in dem die Branche symbolisch und ihre Medien Buchstäblich zerstört werden, extrem schlecht an.
Nach dem Flop der Vision Pro ist das schon der zweite Reinfall von Apple in ungewöhnlich kurzer Abfolge.
Jedenfalls hat Samsung US darauf sehr elegant reagiert. Full disclosure: Ich arbeite bei einer Agentur, die Community Management für Samsung Deutschland macht.
https://x.com/SamsungMobileUS/status/1790824457365594487
Grok fasst X zusammen
Das nächste brillante Feature aus dem Hause X ist, dass man (als Blaubehakte*r) X nicht mehr selbst lesen muss. Die hauseigene KI “Grok” fasst jetzt zusammen, über was auf X so gesprochen wird. Wie gut das klappt, sieht man an dieser Zusammenfassung der Nachricht, dass Mikroplastik in Hoden entdeckt wurde und mit der beobachteten nachlassenden Fruchtbarkeit zusammenhängen könnte:
https://x.com/cairns/status/1792984184035692705
Ich hoffe, ihr habt etwas Zeit mitgebracht. Die nächste Geschichte ist lang, aber wirklich lesenswert!
Wie Facebook (und Instagram) kaputtgemacht wurden
Ed Zitron hat in seinem Newsletter einen langen bitterbösen Text geschrieben mit dem Titel: The People Deliberately Killing Facebook
Zitron spart nicht an Beleidigungen gegen die Verantwortlichen, aber er zeichnet auch messerscharf nach, wie Facebook systematisch zu einem Ort wurde, den heutzutage niemand mehr aushält und Instagram in Facebooks Windschatten gleich mit.
Zitrons Vorwurf gegen Facebook/Meta:
Facebook und Instagram haben sich in den letzten zehn Jahren negativ verändert. Früher waren sie Apps, um sich mit Freunden und Familie zu treffen, jetzt sind sie algorithmische Alpträume, die mit Werbung überschwemmt sind. Und das ist die Geschichte, wie es dazu kommen konnte.
Seit Beginn hat Facebook demnach wenig Rücksicht auf die Nutzer genommen. Das Ziel war immer mehr Wachstum, Engagement und Zeit in der App zu generieren, um die eigenen wirtschaftlichen Ziele umzusetzen.
Zitron zeichnet die entscheidenden Schritte dieses Weges nach:
Alles begann demnach schon 2005 als am Ende einer ersten Umstrukturierung Mark Zuckerberg mit 3 von 5 Vorstandssitzen als faktischer Alleinherrscher des Unternehmens hervorging. Das zusammen mit der Tatsache, dass Zuckerberg 60% des Unternehmens besitzt, führt dazu, dass er tun und lassen kann, was er will, ohne sich rechtfertigen zu müssen. Und was er will, ist, viel Geld zu verdienen, koste es, was es wolle.
Zitron richtet seinen Artikel stark darauf aus, welcher Mensch sich wann und wie moralisch verwerflich verhalten hat. Wenn euch das interessiert, dann lest seinen Artikel, ich werde hier Fokus auf die Strukturen legen.
Im September 2006 brachte Facebook den Newsfeed heraus, einen relativ einfachen chronologischen Feed, der in gewisser Hinsicht eine der wichtigsten Einführungen in der modernen Softwaregeschichte darstellt – alle sozialen Medien haben ihn auf die eine oder andere weise nachgemacht. Okay Pinterest nicht, aber ich glaube bis heute nicht, dass das wirklich jemand nutzt. Interessant ist, dass der Newsfeed ursprünglich auf Widerstand stieß. Die Anzeige jeder Aktion auf der Plattform wurde als beängstigend und stalkerhaft empfunden. Doch schnell erkannten die User*innen seinen Nutzen. Leider wurde der Feed in den folgenden Jahren von Facebook kaputtgemacht, um User*innen mit Werbung zu bombadieren.
Das Wachstum von Facebook kam irgendwann im Jahr 2008 bei etwa 90 Millionen Nutzer*innen zum Stillstand, und Zuckerberg sagte in einem Interview, das Unternehmen sei an eine Wand geraten. Facebook erfand daraufhin "monatlich aktive Nutzer" als neue Kennzahl, um das Engagement der Nutzer auf der Plattform zu messen und weiter wachsen zu können. Diese Kennzahl ist heute ein Eckpfeiler der Wachstumsmetriken der meisten Technologieunternehmen. Facebook nannte die Metrik einfach "growth", also Wachstum.
Der nächste entscheidende Schritt im Bestreben, mehr Wachstum zu erreichen, war das Feature "People You May Know". Lange war unklar, wie das Feature funktionierte. Schließlich wurde enthüllt, dass Facebook über den Like-Button und Ads quasi das komplette Internet überwachte, um vollständige Benutzerprofile anzulegen. Selbst für Menschen, die "noch" nicht bei Facebook waren, wurden Schattenprofile angelegt. So konnte Facebook herausfinden, wen man vielleicht kennt.
"People You May Know" führte zu mehr growth, indem es dir nicht nur Leute zeigte, die du vielleicht kennst, sondern einen educated guess machte, wem du näher kommen möchtest. Wen du dich dann mit ihnen anfreundetest, wurden ihre Inhalte dir bevorzugt im Feed angezeigt. Alles, um dich häufiger zurück auf die Plattform zu bringen. Diese Taktik beobachte ich noch heute auf Insta. Folge ich einem Account, werden mir in den ersten Wochen zahllose Posts von ihm angezeigt, während ich andere Accounts trotz regelmäßiger Posts nie zu Gesicht bekomme.
2018 kam heraus, dass Facebook wusste, dass das "People you may know"-Feature zu Grooming führte, also Erwachsenen, die sich an Minderjährige ranmachen. Es war der häufigste Weg, auf dem Erwachsene Kinder fanden. Facebook scheint dennoch nichts an dem Feature geändert zu haben. Stattdessen entließen sie den Ingenieur, der darauf aufmerksam machte.
Springen wir zurück nach 2008. Da kaufte Facebook nicht nur Instagram, sondern ging auch an die Börse. Allerdings verlief der Börsengang nicht so erfolgreich, wie sich das Unternehmen erhofft hatte. Als Gegenmaßnahme fing Facebook an, am Newsfeed rumzubasteln.
2012 begann spätestens das, was Cory Doctorow Enshitification nennt: Facebook führte "sponsored Posts", also Werbeanzeigen im Newsfeed ein. Das führte zu der Entwicklung, dass man heutzutage auf Facebook fast nicht mehr das sieht, was man abonniert hat, sondern die Posts, für die bezahlt wurde, dass sie möglichst viele Leute erreichen.
Eine weitere Änderung des Newsfeeds aus 2012 war die Anzeige von Empfehlungen, also Post von Leuten oder Seiten, die du nicht abonniert hattest. Heute ebenfalls ein Hauptphänomen von sowohl Facebook als auch Instagram: Dass du sehr viele Inhalte siehst, die du nicht abonniert hast, sondern von denen Meta glaubt, dass sie dir gefallen könnten.
Ich habe eben mal nachgesehen. Auf Instagram habe ich in etwa immer im Wechsel: einen Post, von jemand, den ich abonniert habe, eine Werbeanzeige, eine Empfehlung. Es gibt ein bisschen Variation, damit das nicht zu sehr auffällt, aber insgesamt besteht meint Feed nur zu einem Drittel aus meinen abonnierten Inhalten.
2014 beschloss Mark Zuckerberg, dass mal wieder eine neue Metrik hermüsse, um den Erfolg von Facebook zu messen bzw. zu verkaufen und statt growth wurde von nun an "time spent" auf Facebook zum Maß aller Dinge. User*innen sollten möglichst viel Zeit in der App verbringen. Das ist der Grund, warum Videos immer weiter in den Vordergrund rückten und alles was einen Link hatte vom Algo abgewertet wurde und wird.
2018 führte Facebook das nächste Ziel ein: "meaningful interactions". Leute lassen sich länger auf der Seite halten, wenn sie nicht nur zusehen, sondern mit dem Inhalt interagieren. Jeder Post mit vielen Kommentaren wurde vom Algo weiterverbreitet. Das führte dazu, dass Posts, die besonders kontrovers waren, besonders gepusht wurden und begünstigte so die rechtsextreme Radikalisierung, die wir seit Jahren auf Facebook beobachten können. Aber auch Phänomene wie der Shrimp-Jesus, die durch unzählige "Amen"-Kommentare entstehen, kommen daher.
2020 wurde ein Dokument mit dem Titel "When User-Engagement ≠ User-Value" öffentlich, das bereits im Vorjahr intern bei Meta publiziert wurde und darlegte, dass der brutale Fokus von Facebook auf "verbrachte Zeit" dem Nutzererlebnis schade.
Dass ihre Plattform User radikalisiert, ist Facebook auch sehr gut bekannt. Denn im Vorfeld der Wahlen in Myanmar 2020 wurden gezielte Maßnahmen unternommen, um virale Hetzposts zu verhindern. Die maximale Reichweite wurde eingeschränkt und das führte dazu, dass 25% weniger Hetzposts überhaupt erst geteilt wurden. Zugleich führte es nur zu einem Rückgang von 2% bei den "Meaningful interactions". Dennoch entschied sich Facebook getrieben vom ewigen Wachstums-Wunsch dazu, diese Änderung ein paar Monate später wieder zurückzurollen.
Bei den Anhörungen vor dem US-Kongress 2023 kam heraus, dass bei Instagram seit Jahren das Projekt auf dem Tisch liegt, die Zahl der Likes unter einem Post nicht mehr einzublenden, da sie zu einem ständigen Vergleich von User*innen miteinander und damit verbundenen Minderwertigkeitsgefühlen führt. Doch bis heute hat Instagram das Projekt nicht umgesetzt – es würde die Kennzahlen gefährden.
Im August 2024 wird Meta CrowdTangle abschalten, ein Tool, das es Daten-Forscher*innen ermöglichte, zu analysieren, was auf Facebook passierte. Ed Zitron schreibt, dass es abgeschaltet wird, da mit Hilfe von CrowdTangle Journalist*innen veröffentlicht hatten, was auf Facebook am häufigsten aufgerufen wurde und dass Facebook von rechtsradikalen Fehlinformationen wie "Plandemic", einem COVID-Verschwörungsfilm, dominiert wurde. Facebook sich zugleich weigerte, den Film zu blocken, da er auf Platz 1 der Facebook-Posts stand. Meaningful interactions, nehme ich an …
Es ist zum weinen
Ed Zitron schlussfolgert: Jede einzelne schreckliche Sache, die wir heute auf Facebook und Instagram sehen – seien es rechtsradikaler Unsinn oder ärgerliche Produktentscheidung – geht auf bewusste Entscheidungen von Meta zurück im Streben nach noch mehr Wachstum.
https://www.wheresyoured.at/killingfacebook/
Das war so frustrierend, dass es zum Abschluss noch was Lustiges braucht.
In Australien gab es einen Major Data Breach
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